Predigt
Seit wir unsere Gottesdienste wieder in der Kirche feiern können, stellen wir nicht mehr den ganzen Gottesdienst auf Youtube.
Stattdessen finden Sie dort als "Sonntagsgedanken" einige Impulse für die Woche. Geben Sie dazu bei Youtube "Lutherkirche Frankenthal" ein oder folgen Sie einfach diesem Link:
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Der Link für Sonntag, den 24. Januar 2021:
Musikalische Andacht mit dem Trio Sanssouci am 6. Juni 2020
Der Link für die musikalische Abendandacht mit dem Trio Sanssouci: youtu.be/RwknqmD-pOg
Unruhig ist unser Herz bis es Ruhe findet in dir, Gott.
Johann Christian Bach, der sog. Mailänder Bach, war ebensowenig Mailänder wie der Philosoph und Theologe, dessen Gedanken uns heute Abend ein wenig beschäftigen sollen. Aber beide haben einen wichtigen Teil ihres Lebens in Mailand verbracht.
Wir kennen ihn als Heiligen und Kirchenvater, aber ursprünglich war der im Jahr 354 in Nord-Afrika geborene Augustinus ein Fan von Kampfsport und unverbindlichem Sex. Er war ein hoch gebildeter junger Mann, wissenschaftlich breit aufgestellt, dazu ein fabelhafter Redner und gleichzeitig ein Skeptiker durch und durch. Ein Professor der Disziplin Rhetorik, aber ganz und gar nicht eingestaubt, sondern ein attraktiver junger Mann, der nichts anbrennen ließ. Sehr zum Leidwesen seiner frommen Mutter Monika.
Doch im Rausch von Wissen und Genießen hatte der so klugen Mann noch keine Antwort auf die tiefste Frage des Lebens gefunden: Was der Sinn seines Lebens sei und wie man „die religiöse Frage“ lösen könne. Mailand damals war ein Hotspot von Religionen und Philosophien und Ablegern derselben. Augustinus' Kopf war voller Wissen und Gedanken, doch sein Herz war unruhig, so sagte er später selbst von sich.
Wer gegen die Wahrheit und die wirkliche Liebe lebt, dessen Psyche wird irgendwann protestieren. So auch bei Augustinus. Er wirft sich im Garten eines Mailänder Hauses unter einen schattigen Feigenbaum und beweint sein Elend. Doch plötzlich holt ihn eine zarte Kinderstimme aus seiner Verzweiflung hervor. Das Kind singt im Nachbargarten ein ganz einfaches Liedchen mit dem Kehrreim „Tolle, lege, tolle, lege“, das heißt zu Deutsch: „Nimm und lies, nimm und lies“. Augenblicklich wusste Augustinus: In diesem harmlosen Kinderlied spricht Gott zu ihm. So etwas hat es immer wieder im Leben von Menschen gegeben. Kleine Ereignisse, große Folgen, wenn Gott sich leise bemerkbar macht. Augustinus schlägt die Bibel seines Freundes auf und landet sofort bei einem Wort aus dem Brief des Paulus an die römische Gemeinde: „ Lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts. Lasst uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Unzucht und Ausschweifungen …“ (Kapitel 13, 13 – 14)
Bei Augustinus trifft das Wort buchstäblich ins Schwarze. Nun weiß er, dass Gott sich ihm zugewandt hat und er wendet sich zu Gott. In den „Confessiones“ (Bekenntnisse) des „heiligen Augustinus“ steht der weltbekannte Satz: „Mein Herz ist unruhig in mir, bis dass es ruhet Gott in dir.“ Dieser Satz ist Summe der beiden so gegensätzlichen Teile seines Lebens. Augustinus zog sich zuerst in die Stille zurück, änderte seine Lebensweise radikal und wurde schließlich zum großen Theologen der Kirche, auch „Kirchenvater“ genannt. 391 zum Priester geweiht, wurde er 395 der Bischof von Hippo. In dieser Kurzbiographie soll nur noch angemerkt werden, dass Augustinus bis heute eine der bedeutendsten und einflussreichsten Denker der Kirchengeschichte ist. Er starb im Jahr 430, während der Stamm der Vandalen seine Bischofsstadt Hippo belagerte.
Unsere Zeit heute Abend ist begrenzt, und soll ja vor allem dazu dienen, sich den lange vermissten Genuss der Musik hinzugeben. Daher nur ein kurzer Blick auf zwei seiner bedeutendsten Schriften.
Die Confessiones, auf Deutsch „Bekenntnisse“ schrieb Augustinus kurz nach seiner Bekehrung im Alter von etwa 40 Jahren. Man weiß nicht, ist es Autobiographie, Gotteslob oder Lebensbeichte? Vielleicht ein bisschen von allem. „Offiziell ist Gott das Ein-Mann-Publikum der Bekenntnisse,“ schreibt Johannes Hansen. „Groß bist du, Herr, groß ist deine Kraft und deine Weisheit ohne Maß. Und es will dich loben der Mensch, der ja nur ein Teil deiner großen Schöpfung ist, der Mensch, der seine Sterblichkeit mit sich herumträgt und das Zeugnis seiner Sünde.“ so der Beginn der Confessiones.
Wie kann ein Mensch, sterblich und fehlerhaft und fern von Gott, Gott finden? Fragt sich Augustinus. Er berichtet in seinen Confessiones, wie er selbst die Entscheidung für den Glauben, obwohl zutiefst davon überzeugt, wieder und wieder verschoben hat: Morgen, morgen, morgen ist auch noch ein Tag.
Ähnlich wie Descartes 1400 Jahre später sein „Ich denke, also bin ich“ formulierte, findet Augustinus seine Identität in dem Satz „Ich zweifle, also bin ich.“ Jeder, der einsieht, dass er zweifelt, wird sich seiner selbst bewusst. Aber genügt es, zu zweifeln? Reicht der Zweifel als Lebensinhalt? Muss nicht der Zweifel einen Menschen auf den Weg schicken und zum Suchenden werden lassen?
Dem zweifelnden Menschen gegenüber steht Gott als ewige Wahrheit und Liebe. Gott existiert unabhängig vom menschlichen Denken und Erkennen. Das ist die Voraussetzung. Nur weil Gott unabhängig vom menschlich subjektiven Denken existiert, kann er erkannt werden. Gott existiert unabhängig, aber nicht außerhalb vom Menschen. „Und siehe, du warst innen und ich war außen, und da suchte ich nach dir... Du warst bei mir, ich war nicht bei dir.“ Zwei Bedingungen müssen also erfüllt sein, damit der Suchende Gott finden kann: a) Gott ist immer schon vor dem Menschen da und größer als er, und b) Gott ist gleichzeitig im Menschen, denn „im Menschen wohnt die Wahrheit.“ Oder, noch einmal anders formuliert: Es muss etwas außerhalb meiner selbst geben, an das ich glauben kann; Gott erlangt für mich jedoch erst dann Bedeutung, wenn ich den unendlichen ewigen Gott in meinem Herzen entdecke. Subjektivität und Objektivität verbunden.
Interessant ist auch das Zeitverständnis des Augustinus. Wir heutigen sind von einem naturwissenschaftlichen linearen Zeitverständnis geprägt. Die Zeit als Pfeil, der sich von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft erstreckt und objektiv messbar ist: Vor 13 Milliarden Jahren: Der Urknall. 753 schlüpft Rom aus dem Ei. Das Jahr 0: Jesus. 5. Juni 2020 erstes öffentliches Konzert nach Corona in FT. Montag wird es wieder zur Arbeit gehen. Und am nächsten Donnerstag ist die nächste Coronabekämpfungsverordnung zu erwarten.
Für Augustinus existieren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als solche nicht: „Wie kann man von vergangenen und zukünftigen Zeiten reden, da doch die vergangene schon nicht mehr und die zukünftige noch nicht da ist? Stattdessen ist Vergangenheit eine Erinnerung in der Gegenwart und die Zukunft eine Erwartung in der Gegenwart, während die Gegenwart ein aus der Zukunft in die Vergangenheit vorüberziehender Moment ist.“ Für Augustinus gibt es zwar objektive Zeit-Systeme wie Tag und Jahr. Sie erlangen ihre Bedeutung für uns jedoch erst dadurch, dass sie auf uns bezogen sind. Vergangenheit und Zukunft, auch wenn es sie objektiv gibt, werden wahrgenommen durch die Brille des Ich in der Gegenwart.
Sie merken schon, Augustins Confessiones sind weit mehr als der Lebensbericht eines gewandelten Taugenichts. Sie sind auch Anleitung zu einem reflektierten Glauben und Denken, voller interessanter Aspekte zur Stellung des Ich in Gottes Welt.
Sein zweites großes Werk „Vom Gottesstaat – De civitate dei“ entstand unter dem Eindruck der Eroberung Roms durch den Westgotenkönig Alarich im Jahr 410. Nie zuvor in seiner 1000-jährigen Geschichte war Rom erobert worden. Ein Ereignis, das die Bewohner des Römischen Reiches zutiefst verstörte – in unserer Zeit vergleichbar vielleicht mit dem 11. September 2001. Auch für die christliche Kirche, obwohl sie erst seit 100 Jahren im Römischen Reich anerkannt war nach Jahrhunderten der Verfolgung, brach mit der Eroberung Roms eine Welt zusammen. So schnell kann das gehen. „Das hellste Licht unter den Ländern ist ausgelöscht. Ja, das Haupt des Römischen Reiches ist abgeschlagen. In dieser Stadt ging der ganze Erdkreis unter,“ schrieb ein anderer Kirchenvater, Hieronymus.
Augustinus sah das weitaus nüchterner. Er macht einen klaren Unterschied zwischen dem Reich Gottes und den Reichen dieser Welt. Das eine Reich, die Civitas Dei, ist Gott und dem Himmel zugeordnet. Es steht, vereinfacht ausgedrückt, für das Prinzip des von Gott gesetzten Guten, nach dem der Mensch streben soll. Das andere Reich, die Civitas Terrena, ist dem irdischen Staat zugehörig und lebt nach eigenen Gesetzen. Beide Reiche haben unterschiedliche Ziele. Die irdischen Herrscher werden nie das Reich Gottes herstellen können, weil sie z.B. nicht alleine nach dem Gesetz der Liebe regieren können; sie werden auch Macht ausüben müssen. Beide Reiche sind jedoch auch aufeinander bezogen, insofern als die Christen durchaus profitieren von einer Regierung, die sie schützt und den Frieden sichert; aber dieser irdische Frieden ist vorläufig. Einen vollkommenen Frieden, eine Harmonie zwischen Mensch und Mitmensch, Schöpfung und Gott wird es erst am Ende der Zeiten geben, wenn Gott alles in allem ist. Bis dahin aber wird die Dynamik der Geschichte durch zwei Reiche bestimmt, die civitas terrena durch das irdisch Machbare, während die civitas dei das Ideal darstellt, das Orientierung bietet.
Diese wenigen Gedanken lassen ahnen, weshalb Augustinus, der bekehrte Playboy und Skeptiker, ein bis heute einflussreicher Denker und Theologe geblieben ist. Er verstand es, die Sprache, das Lebensgefühl und die Fragen seiner Zeit aufzunehmen und sozusagen als bekehrter Skeptiker vom Rand aus Kirche und Glauben neu und zukunftsweisend zu denken – eine Herausforderung, vor der wir heute wieder stehen.
Sonntägliche Gedanken zum Pfingstfest – 31. Mai 2020
Folgt man dem Bericht des Lukas, passiert zwischen Ostern und Pfingsten erst einmal - nichts. Die Jünger versuchen zu begreifen, dass Jesus doch nicht tot ist, und tun sich schwer damit. Sie beten. Sie sind zusammen. Aber alles spielt sich ab hinter verschlossenen Türen.
Aus heutiger Sicht würden wir von einem Lockdown sprechen, auch wenn es kein Virus war, das die Jünger hinter verschlossenen Türen festhielt, sondern die Angst. Die Angst hatte sich wie ein bleierner Teppich über die Jünger gelegt. 7 Wochen Ausnahmezustand.
Im Vergleich zu den Jüngern waren wir in den vergangenen Wochen doch recht aktiv:
Wir haben eine Hotline eingerichtet, Kontakt zu Nachbarn gehalten, eingekauft. Herzlichen Dank an alle, die mitgeholfen haben! Ich habe gelernt, wie man Gottesdienste filmt und ins Netz stellt. Viele seelsorgerliche Gespräche wurden geführt am Telefon und über den Gartenzaun. Eltern haben geübt, wie sie Homeoffice und Homeschooling vereinbaren können (ging eher schlecht). Alte Menschen taten sich schwer zu verstehen, dass sie keine Besuche mehr bekamen. Und Kinder vermissten ihre Spielkameraden und – man staune – auch die Schule.
Und jetzt, ganz langsam, wo die Zahl der Corona-Infizierten zurückgeht, gib es Lockerungen und Öffnungen.
„Ich will einen neuen Geist in sie geben.“ So kündigt der Prophet Ezechiel das Pfingstwunder an. An Pfingsten werden die Jünger von diesem Geist erfüllt und tun Dinge, die sie selbst erstaunen. Gottes Geist macht es möglich.
Hören wir die Pfingstgeschichte:
Apg. 2, 1-8 + 14-17a
Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle beieinander an einem Ort. 2 Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt und wie von Feuer, und setzten sich auf einen jeden von ihnen, 4 und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen zu reden eingab. 5 Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde verstört, denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. 7 Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, Galiläer? 8 Wie hören wir sie denn ein jeder in seiner Muttersprache?
14 Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, vernehmt meine Worte! 15 Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages; 16 sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5): 17 »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich meinem Geist ausgießen...
Was bedeutet der Geist von Pfingsten für uns heute?
1. Pfingsten ist das große Fest des Glaubens, der darauf vertraut: Jesus Christus ist auch nach Kreuz und Auferstehung nicht fern im Himmel, sondern, wenn auch unsichtbar, bei seinen Menschen auf der Erde ist. 3000 Zuhörer haben dieses Vertrauen an Pfingsten mit ihrer Taufe besiegelt.
2. Pfingsten ist das Fest gegen die Angst. 7 Wochen davor hatte Petrus voller Angst zu der Frau, die ihn fragte, gesagt: „Nein, diesen Jesus kenne ich nicht.“ 7 Wochen lang hatten sich die Jünger voller Angst hinter verschlossenen Türen verkrochen. An Pfingsten stellt Petrus sich öffentlich hin, überwindet seine Angst und predigt vor tausenden von Menschen. Auch in der Corona-Krise gibt es Angst, die lähmt. Aber sie kann überwunden werden im Vertrauen darauf, dass Gott unser Leben in der Hand hält. Ich habe das sehr positiv im Presbyterium der Friedenskirche erlebt. Gerade die älteren haben gesagt: Natürlich halten wir alle Vorsichtsmaßnahmen ein und setzen sie um. Wir tun, was wir können, wir sind vorsichtig, halten die Regeln ein, aber unterkriegen lassen wir uns nicht.
3. Pfingsten ist ein Fest des Mutes. Zu Beginn der Corona-Krise war zu lesen: „Die Nordkirche schließt sich den Empfehlungen an, alle nicht notwendigen Veranstaltungen abzusagen. Die Nordkirche empfiehlt deshalb (!!), vorerst auch auf Gottesdienste zu verzichten.“ Natürlich will keine Gemeinde zum Corona-Hotspot werden; wir haben auch eine Verantwortung füreinander. Aber Gottesdienste deshalb als „nicht notwendige Veranstaltungen“ zu bezeichnen, ist ein Zeichen von Hasenfüßigkeit. Gerade in Notzeiten hat die Gemeinde, getragen von Gottes Wort und Segen, die Aufgabe, einander zu helfen, zu trösten, Mut zu machen, mit- und füreinander zu beten. Ich bin froh, dass wir in der Lutherkirche den Mut hatten, den Kirchhof mit dem schönen Kreuz zu öffnen, und viele haben mir geschrieben, wie wichtig das für sie ist. Und den Gottesdienst ausgedruckt oder virtuell „mitnehmen“ zu können. Übers Telefon Kontakt zu halten. Darüber hinaus hätte ich mir ein paar Mut-mach- Ideen gewünscht, z.B dazu wie man Kranke und Sterbende trotz Corona gut begleiten kann.
4. Pfingsten ist ein Fest für die Wahrheit. Die Wahrheit macht uns frei. Aber was ist die Wahrheit? Die Wahrheit damals lautete: Jesus Christus lebt und ist für uns da. Heute gibt es um das Corona-Virus herum die wildesten Verschwörungstheorien: Wer hat das Virus zu welchem Zweck in die Welt gesetzt? Bei früheren Epidemien wie Pest und Cholera war das ähnlich. Sündenböcke wurden gesucht und leider auch gefunden. Wir wissen heute viel mehr über die Entstehung und Verbreitung von Viren als damals, auch wenn gerade in Bezug auf das Corona-Virus noch viele Fragen offen sind. Aber auch hier macht die Wahrheit frei und die Wissenschaft lernt täglich dazu und teilt dieses Wissen. Kontroverse Diskussionen gehören dazu. Wir werden noch eine ganze Weile mit dem Virus leben müssen.
5. Pfingsten ist ein Fest der Globalisierung. „Geht hin in alle Welt!“ lautete der Auftrag Jesu und die Jünger sind diesem Auftrag gefolgt, weil sie Glaube, Liebe und Hoffnung mit allen Menschen teilen wollten. Die Globalisierung der letzen Jahrzehnte war getrieben von der Frage: Wo kann man was am billigsten und mit größtem Gewinn herstellen? Das hatte böse Folgen für die Umwelt, die Gesundheit von Menschen, für die Ausbeutung von Arbeitskraft, für Menschen, deren Existenz bedroht war und die sich darum als Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machten. Wir müssen daher neu fragen: Welche Art von Globalisierung wollen wir? Wie können wir die Globalisierung so neu gestalten, dass sie weder auf Kosten von Menschen noch auf Kosten der Umwelt geht?
6. Pfingsten ist ein Fest der Gemeinschaft. Wir merken, wie sehr uns gerade in Corona-Zeiten der Kontakt mit anderen Menschen fehlt. Wir beobachten, wie die Schließung von Schulen und Kindergärten Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Und wie alte und kranke Menschen durch das Kontaktverbot vereinsamen. Und noch etwas fällt auf: Im Zeitalter der Individualisierung haben wir uns angewöhnt, Regeln und Gesetze, die dem Gemeinwohl dienen, durch die Brille der Frage zu betrachten: „Nützt mir das oder schränkt mich das ein?“ Während der Corona-Krise haben wir wieder gelernt zu fragen: „Inwieweit dient mein Verhalten dem anderen?“ Ein schönes Beispiel dafür ist der Mundschutz, der mir selbst wenig, aber dem anderen ganz viel nützt.
7. Pfingsten ist ein Fest, das uns vom Sicherheitsdenken zum Vertrauen führt. Alle reden von Vertrauen, aber was sie wirklich wollen, ist Sicherheit.
Nicht nur die Wirtschaft ist in straffe Lieferketten eingespannt, bei der es an keiner Stelle klemmen darf. Das gleiche Prinzip gilt auch für unseren Alltag, unsere Beziehungen, unsere Lebensplanung: Immer muss eins ins andere greifen, damit das Ganze funktioniert. Und wehe, ein Rädchen fällt aus. Das Corona-Virus hat gezeigt, wie fragil diese Sicherheit ist.
Pfingsten auch: Für die Jünger waren viele Sicherheiten schon mit Jesu Kreuz und Auferstehung zerbrochen: z.B. die Sicherheit, dass man in Jesus Gott face to face begegnen kann; oder dass tot tot ist. Langsam und mit Mühe lernen die Jünger, das es bedeutet, dass Jesus lebt und unsichtbar mit ihnen lebt und trotzdem unverfügbar ist. Sie müssen vertrauen lernen, dass er zur rechten Zeit bei ihnen ist. Oder wie es Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt hat: Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dazu braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Welch ein wunderbarer pfingstlicher Zugang zum Leben: alle Dinge werden mir zum Besten dienen. Welch ein Vertrauen!
Pfingsten – das Fest der Bewegung und Begeisterung. Wind und Feuer sind die Zeichen.
Die Hände aufzuhalten und sich die Hände und das Herz füllen lassen vom Geist des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe.
Dem Segen Gottes nachzuspüren, wie er uns von oben und unten, recht und links umgibt.
Zu den Mut zu haben, Sicherheit durch Vertrauen zu ersetzen.
Und schließlich den Mund aufzumachen für den Gott, der uns so sehr liebt, dass er einer von uns geworden ist, unser Leben geteilt hat und uns auch in Zukunft begleitet.
Ich wünsche Ihnen in diesen schwierigen Corona-Zeiten gute neue pfingstliche Gedanken. Amen.
MH
Fürbitten:
Herr, unser Gott, wie gerne wäre ich an diesem ersten Pfingstfest dabei gewesen, hätte die große Bewegung und Begeisterung gerne selbst erlebt.
Aber auch heute steckt uns Pfingsten an:
Hilf uns glauben, das du nicht fern im Himmel, sondern bei uns auf der Erde bist, wenn auch unsichtbar und unverfügbar.
Hilf uns, die Angst zu überwinden und mutig das zu tun, was Du uns aufträgst.
Lass uns nicht falschen Propheten und face news auf den Leim gehen, sondern die Wahrheit suchen.
Wir fragen oft: Was nützt mir das? Verändere unseren Blick, damit wir sehen lernen, was dem anderen gut tut.
Mit Pfingsten kommt die ganze Welt in den Blick. Wir sind weltweit zusammengerückt, im Guten wie im Bösen. Hilf uns, verantwortlich handeln, damit die Welt für unsere Kinder lebenswert bleibt, und Glauben. Hoffnung und Liebe mit allen Menschen zu teilen.
Wir suchen oft Sicherheit. Es soll möglichst alles so funktionieren, wie wir uns das vorstellen. Lehre uns Vertrauen. Lass uns zu Menschen werden, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Pfingsten ist das Fest der Bewegung und Begeisterung. Bewege begeistere auch uns, Gott. Amen.
Vater unser im Himmel..
Sonntagsgedanken zum 24. Mai 2020 "Ich bin dann mal weg"
„Ich bin dann mal weg.“
Der Titel, den H.P.Kerkeling dem Buch über seine Pilgerreise nach Satiago de Compostella gegeben hat, ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden. Ich bin dann mal weg. Weg aus dem Alltag, aus Pflichten und Verpflichtungen, aus Bindungen, die einem lieb, aber manchmal auch teuer geworden sind. Das alte Leben hinter sich lassen, sich an Neuem ausprobieren, tief Luft holen und frei sein, nach vorne schauen und sich neue Ziele setzen – das alles schwingt mit in dem Satz „Ich bin dann mal weg.“
Dieses inzwischen geflügelte Wort könnte auch die Überschrift über das Fest „Christi Himmelfahrt“ sein. Nach der Geburt im Stall von Bethlehem, nach 33 Jahren auf der Erde, nach drei Jahren des Predigens und Lehrens, der Wunder und der Nähe zu den Menschen, nach Kreuz und Auferstehung ist Jesus dann mal weg. Weg von der Erde, oben im Himmel.
Himmel und Erde sind 2 verschiedene Welten – denken wir: Gott ist oben im Himmel und wir Menschen hier unten auf der Erde. Dazwischen ein garstiger Graben, unendlicher Abstand.
Wenn das so wäre, dann wäre Himmelfahrt wirklich ein Abschied. Jesus verlässt uns und unsere Erde. Tschüss!
Aber Himmel und Erde sind nicht 2 verschiedene Welten. Der Himmel durchdringt die Erde. Das wird an Himmelfahrt in dem Augenblick sichtbar, als Jesus seine Jünger segnet und mit der Kraft ausstattet, seinen Dienst fortzusetzen.
Ich lese die letzten Verse des Lukasevangliums,
>> Lukas 24, 50-53
Jesus führte sie, die Jünger, aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
Was ist eigentlich der Himmel, liebe Gemeinde? Irgendetwas ganz besonders Schönes muss er schon sein, denn mit Himmel verbinden wir nur Gutes. Der Himmel begleitet uns ein Leben lang: Kinder spielen „Himmel und Hölle“. Zwei Verliebte sind im „7. Himmel“, denn die Liebe ist ja bekanntlich eine Himmelsmacht. Und wer kann schon „himmlischen Genüssen“ widerstehen?
Für Erwachsene und Kinder gleichermaßen ist es tröstlich sich vorzustellen, dass die Verstorbenen nicht irgendwo sind, sondern „im Himmel“ - fern von uns, aber doch an einem vertrauten und schönen Ort.
Ein Blick in den blauen Himmel lädt zum Träumen ein: Ich schaue den Wolke nach und reise in Gedanken weit fort. „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein,“ singt Reinhardt Mey und weckt damit die Sehnsucht nach einem gelungenen Leben, nach Erfüllung und Geborgenheit, nach Leichtigkeit und Weite.
Diese Sehnsucht finden wir auch in der Himmelfahrtsgeschichte, nur dass die Jünger auf die Erde verwiesen werden und hier den Himmel finden sollen.
Die Himmelfahrtsgeschichte ist eine Abschiedsgeschichte. Einerseits. Jesus verlässt seine Jünger. Die Jünger werden danach Jesus nicht mehr sehen. Andererseits ist sie gleichzeitig die Geschichte eines neuen Anfangs. Denn da werden Menschen von Jesus gesegnet, die ein Leben in dieser Welt bestehen müssen. Himmelfahrt. Das ist Ende und Neubeginn, Trennung und Halt, Abschied und Anfang.
Schauen Sie sich die Reaktion der Jünger auf den Himmelfahrtssegen an:
- Sie beten ihn an.
- Sie kehren mit großer Freude nach Jerusalem zurück.
- Sie feiern Gottesdienst und loben Gott.
Daraus ziehe ich den Schluss: Das ist kein trauriger Abschied. Ganz im Gegenteil. Der Segen am Himmelfahrtsfest löst Freude aus. Mit Begeisterung und Power tun die Jünger, was zu tun ist. Sie haben noch ein langes Leben vor sich im Auftrag und unter dem Segen Jesu.
Natürlich ist Jesus von diesem Zeitpunkt an nicht mehr so präsent wie früher. Den Jüngern ging ein Privileg verloren. Das Privileg, das sie verloren, war, Christus bei sich zu haben. Ihn zu hören, wie und was er spricht von Gott und den Menschen. Ihn zu erleben, wie er denkt und fühlt. Ihn als Freund zu haben, zu dem man gehen kann, um Rat zu erfragen oder Freude zu teilen. Ihn zu berühren und berührt zu werden. Von ihm persönlich das Brot gebrochen zu bekommen. Dieses unmittelbar sichtbare Nähe endet an Himmelfahrt.
Dafür war die Gegenwart Jesu früher auf einen Ort begrenzt. Er war entweder in Jerusalem oder Nazareth oder Kapernaum, aber nie an mehreren Orten zugleich. Jetzt ist das anders: Jakobus bleibt in Jerusalem, Petrus geht nach Rom, Paulus predigt in Korinth, wir feiern in Frankenthal Gottesdienst – und über all wissen sie und wir Jesus bei sich.
Die alte Trennung – Gott ist im Himmel und wir Menschen auf der Erde – gilt nicht mehr. Sie war schon an Weihnachten aufgehoben, als Gottes Sohn im Stall zu Bethlehem in unsere Welt kam. Sie war offensichtlich aufgehoben, als so verschiedene Menschen wie der Zöllner Zachäus und der Jünger Petrus, die todkranke Tochter des Jairus und die unbekannte Frau am Jakobsbrunnen die Erfahrung machen: In Jesus kommt Gott uns ganz nah. Wir spüren seine heilsame Gegenwart mit allen Fasern unseres Herzens.
An Karfreitag schien es für einen kurzen Augenblick, als hätten die Menschen Gott wieder aus dieser Welt vertrieben. Aber Gott lässt sich nicht so schnell aus unserer Welt vertreiben. Im Gegenteil: Seine Gegenwart bekommt an Himmelfahrt eine neue Dimension.
Jesus wechselt von der irdisch sichtbaren aber auch ortsgebundenen Präsenz in eine himmlische unsichtbare, aber auch allgegenwärtige.
Das Zeichen dafür ist der Segen, den Jesus hier auf seine Jünger legt. Genauer heißt es bei Lukas: „Und während er sie segnete, entfernte er sich von ihnen und wurde zum Himmel emporgehoben.“ D.h im Weggehen Jesu werden sie gesegnet. Das Weggehen und der Segen geschehen gleichzeitig und bedingen einander. Wo wir denken: Das Weggehen Jesu ist ein Verlust, den wir zu verschmerzen haben, ist es für Lukas untrennbar verbunden mit dem Segen. Jesu sichtbare Gegenwart wird ersetzt durch den unsichtbaren Segen unsres nicht mehr sichtbaren Herrn. Statt Jesu Gegenwart bekommen die Jünger eine Kraft, die sie erfüllt, für alles, was kommt. Jesus traut den Jüngern und uns zu, dass wir seine sichtbare Gegenwart nicht mehr nötig haben. Sein Segen genügt. Sie kennen vielleicht diesen schönen irischen Segen:
Gott sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen.
Gott sei neben dir, dich zu begleiten wie ein guter Freund.
Gott sei hinter dir, um dich zu schützen in Gefahr.
Gott sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst.
Gott sei in dir, dich mit Glauben, Liebe und Hoffnung zu erfüllen.
Gott sei über dir, um dich zu segnen.
Gibt es etwas Himmlischeres als wenn Gott vor und neben, hinter, über und in uns ist, wenn wir sozusagen umgeben sind und erfüllt sind von Gott?
Das hat Folgen:
Ich bin dann mal weg, sagt Jesus, aber keine Angst, ich komme sofort zurück, wenn auch ganz anders als du denkst. Wenn du betest, bin ich ganz nahe bei dir. Sag mir einfach, was dich beschäftigt hat, das Schöne und das Schwere, den Dank für das, was gewesen ist und deine Hoffnung für die Zukunft. Bei allem, was ansteht, bin ich dabei mit meinem Segen.
Ich bin dann mal weg, sagt Jesus, denn ihr soll mich nicht einsperren in euren Wunschbildern, Gedankengebäuden und Glaubensbekenntnissen. Meine Liebe ist größer als alles, as ihr so denkt.
Ich bin dann mal weg, sagt Jesus, weil ich unterwegs bin zu dir. Ich bin nicht das Sahnehäubchen für besondere Tage, sondern will in deinem Herzen wohnen. Wenn du enttäuscht und mutlos bist, begleite ich dich und stärke dir den Rücken. Wenn du Angst hast und nicht weiß, wie es weitergeht, zeige ich dir einen Weg. Wenn du müde und ausgebrannt bist, sage ich: „Ruh dich ein wenig aus!“ Wenn du allzu selbstsicher bist, hole ich dich wieder auf den Boden. Und wenn du dich freust, naja, du weißt ja: Geteilte Freude ist doppelte Freude.
Dann kehren die Jünger zurück nach Jerusalem. Das scheint ein kleiner Nebensatz zu sein, bis man sich die Hintergründe klar macht: Jerusalem war der Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde. Der Ort der Niederlage und Verzweiflung. Aber genau hier beginnt das Neue. Genau da, wo sie dachten, man hätte es geschafft, Gott aus der Welt zu vertreiben. Mit dem Segen im Rücken können sich die Jünger ihrer Angst stellen und sie überwinden.
Und das ist dann wirklich Grund zum Lob. Frei zu sein von der Angst, die unser Leben einengt, und die Weite des Himmels zu fühlen, weil Gott um uns und in uns ist.
Sie loben Gott im Tempel und machen sich später, erfüllt vom Geist Gottes, an ihre Aufgaben. Sie schauen nicht zurück, sondern nach vorne. Sie vergessen ihre eigenen Grenzen, und rechnen mit Gottes unbegrenzten Möglichkeiten. Aus dem Abschiedsschmerz wird Freude und Zuversicht. Ein neues Kapitel beginnt.
Es sind die letzten Verse des Lukasevangeliums, das mit der Weihnachtsgeschichte begann. Gottes Sohn, der in Bethlehem vom Himmel auf die Erde kam, geht wieder dorthin zurück wo er hergekommen ist. Doch danach beginnt Lukas nun nicht nur ein neues Kapitel, sondern ein ganz neues Buch: Die Apostelgeschichte, in der er erzählt, wie die Jünger, gestärkt vom Segen Gottes, erfüllt von der Freude der Gegenwart Jesu und in der Kraft des Heiligen Geistes, den Menschen überall in der Welt und durch die Zeiten hindurch den Menschen erzählen, dass Gott da ist und Großes tut.
Ja, Jesus ist dann mal weg. Aber nur, damit er in uns und durch uns noch viel intensiver in dieser Welt wirken kann.
Amen.
Segen
Der Herr segne uns und behüte uns.
Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über uns und sei uns gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns seinen Frieden. Amen.
Die Geschichten von Palmsonntag bis Ostern, nacherzählt mit biblischen Erzählfiguren
Sie finden die Geschichten bei Youtube auch, wenn Sie "Lutherkirche Frankenthal" in das Suchfeld eingeben. Kamera: Noah Böhm.
1. Der Einzug Jesu in Jerusalem – König oder nicht?
www.youtube.com/watch?v=5PjE8bOvGBE
2. Die Salbung in Bethanien - Wieviel ist er uns wert?
www.youtube.com/watch?v=kh2eGLuiidw&t=33s
3. Ein Abend, der in Erinnerung bleibt
www.youtube.com/watch?v=bPFoHYQH_FE
4. Gethsemane – verraten und verkauft, getröstet und gestärkt
www.youtube.com/watch?v=G4sFB24KzWg
5- Jesus vor dem Hohen Rat – Lüge und Verrat
www.youtube.com/watch?v=bNfqETc5U-A
6. Die Kreuzigung Jesu – ein grausames Ende. Wofür?
www.youtube.com/watch?v=FKgOFlSI1WU
7. Die Auferstehung Jesu - von der Verzweiflung zur Freude
www.youtube.com/watch?v=3_vSBFk6x78